Kampf um das Ersparte - Auszug aus der Praxis des Kapitalanlagerechts

Margo M. Kroll · ·

„Über Geld redet man nicht, Geld hat man“ – würde man dem Spruch folgen, würde sich das Kapitalanlagerecht erübrigen. Wäre das sinnvoll? Bestimmt nicht, denn nach der letzten Finanzkrise wird vermehrt über die Kapitalanlagen und deren noch bessere Regulierung debattiert. Die Grundlagen des Kapitalanlagerechts werden im folgenden Beitrag von RAin Malgorzata Kroll, München, vorgestellt.

Nicht zuletzt aufgrund von mangelnder Information und von zu wenig Interesse seitens der Anleger selbst kam es zu enormen Verlusten in der Finanzbranche. Aber: Trotz der Finanzkrise haben die Deutschen Geld: Nach Statistiken der Bundesbank erreichte im Jahr 2008 das Geldvermögen privater Haushalte 4,49 Billionen Euro. Weiterhin genießen Geldinstitute ein besonderes Vertrauen der Bevölkerung (Anfang 2009 noch mehr als 50% laut Forsa). Ist dies (noch) berechtigt? Dies kann nur dann mit „Ja“ beantwortet werden, wenn zugleich das Recht der Kapitalanlagen ausreichend geregelt ist, das dem Kapitalmarkt eine den Anleger benachteiligende Geldpolitik nicht erlaubt.

Wirtschaftliche Grundlagen

Was ist aber Kapitalanlagerecht? Als solches wird es nicht an der Universität unterrichtet, obwohl es von enorm praktischer Bedeutung ist. Das Kapitalanlagerecht ist eng mit dem betriebswirtschaftlichen Begriff des Kapitalmarktes verbunden. Dieser ist neben dem Geldmarkt und Devisenmarkt ein Teil des Finanzmarktes, auf dem Handel mit Kapital stattfindet, mittel- und langfristige Kapitalanlagen und Kapitalaufnahmen nachgefragt und angeboten werden. Die Kapitalanlagen sind heutzutage weit diversifiziert, es ist daher fast unmöglich, diese Branche vollständig zu regulieren. Der Kapitalmarkt wird in den organisierten und den nicht organisierten, sog. grauen Kapitalmarkt unterteilt. Unter der Organisation der Märkte wird vor allem die staatliche Finanzaufsicht verstanden, wobei es von Bedeutung ist, dass die Anleger des grauen Kapitalmarktes nicht völlig schutzlos dem grauen Kapitalmarkt gegenüberstehen. Zu Produkten des regulierten Kapitalmarktes zählen Kapitalmarkttransaktionen, die über Banken oder Börsen bzw. nach Art. 36 ff. EU-Finanzmarktrichtlinie (MiFID) auf einem Markt für Finanzinstrumente getätigt werden. Auf dem nicht regulierten Kapitalmarkt finden dabei z.B. Kapitalmarkttransaktionen statt, die nicht die durch die MiFID verlangten Voraussetzungen erfüllen. Stets werden Kapitalanlagen getätigt, also längerfristige Anlagen von Geldern zur Erzielung eines Ertrages oder Wertzuwachses, z.B. durch verzinsliche Bankguthaben, Lebensversicherungen oder Effekten wie Aktien, Anleihen und Derivate.

Rechtsquellen und Änderungen

Das Kapitalanlagerecht ist als Sammelbegriff eine Mischung aus zivilrechtlichen und insbesondere verbraucherschutz-, gesellschafts-, handels- und bankrechtlichen Vorschriften und Rechtsgrundsätzen. Die wichtigsten Regeln findet man daher u.a. im BGB, im HGB, WpHG oder KWG. Diese Regelungen unterliegen ständiger Wandlung. Dies korrespondiert mit der permanenten Diversifizierung des Kapitalmarktes und der laufenden Markteinführung immer neuer Kapitalanlagen, aber auch mit dem Verhalten des Kapitalmarktes selbst. Insbesondere infolge von Wirtschaftskrisen wurden verstärkt die kapitalanlagerechtlichen Grundsätze geändert bzw. neu verfasst. So wurden z.B. im Jahr 2002 aufgrund der Dotcom-Blase das WpHG um den Schadensersatzanspruch wegen unterlassener oder verspäteter Ad-hoc Mitteilung ergänzt sowie der Corporate Governance Kodex beschlossen. Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz 2004 wurde der Versuch unternommen, den grauen Kapitalmarkt zu regeln: danach unterstehen die nicht in Wertpapieren verbrieften Kapitalanlagen der Prospektpflicht und damit auch der Prospekthaftung. Eine effektive Stärkung der Anlegerrechte erfolgte ferner 2007, indem u.a. die Anlageberatung als Hauptdienstleistung eingestuft und neue Wohlverhaltensregeln der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber den Kunden geregelt wurden. Auch wurde das Gesetz über elektronische Handelsregister geschaffen, das den Zugriff auf die Unternehmensdaten via Internet erleichtert. Zudem wurden die Unternehmen verpflichtet, kapitalmarktrechtliche Informationen zu publizieren. Eine erhebliche Neuerung erfolgte durch die Erweiterung der Informations- und Wohlverhaltenspflichten für Banken und Intermediäre nach §§ 31 ff. WpHG. Diese Pflichten betreffen den regulierten Kapitalmarkt, sie werden jedoch durch die Rechtsprechung entsprechend auf die Verhaltensweisen im nicht regulierten Kapitalmarkt angewendet. 2009 wurde aufgrund der Finanzkrise 2007 das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht verabschiedet, das die Rolle der BaFin als Organ zur Regulierung des Kapitalmarktes intensiviert.

Die Rechtsanwendung

Die bereits genannten kapitalanlagerechtlichen Bestimmungen finden Anwendung auf Zustandekommen, Abwicklung und Beendigung von Vertragsverhältnissen zwischen den Beteiligten einer Kapitalanlage. Dabei werden als Beteiligte nicht nur der Kapitalnehmer oder Anbieter und der Kapitalgeber oder Käufer, sondern auch die sog. Intermediäre wie Vermittler oder Berater gesehen. Kapitalanlegerecht ist danach der Teil des Kapitalmarktrechts, der aus der Perspektive eines Anlegers zu betrachten ist, das also den Anleger mittelbar oder unmittelbar betrifft. Es ist also zum größten Teil Anlegerschutzrecht, das ein Gleichgewicht in der Beziehung zwischen dem bedingungsstellenden Anbieter bzw. dem Intermediär und insbesondere im nicht organisierten Kapitalmarkt oft schutzlosen Anleger zu erzielen versucht. Zum Kapitalanlagerecht gehören damit nicht die Bestimmungen aus dem öffentlich-rechtlichen Aufsichtsrecht sowie die Regelungen zum Börsengeschehen.

Der Anleger kann Verbraucher bzw. Unternehmen im Sinne des § 13 oder § 14 BGB sein. Jedoch ist nicht jede natürliche Person im Zusammenhang mit Kapitalanlagen als typischer Verbraucher zu schützen: z.B. bedarf derjenige, der ein risikobehaftetes Geschäft eingeht, nicht des gleichen Schutzes wie derjenige, der einen Kredit zur Abdeckung des täglichen Gebrauchs aufnimmt. Die neuesten Entscheidungen in der Rechtsprechung, die mit dem Angebot an immer komplizierten Kapitalanlagen auf dem Markt einhergehen, zeigen jedoch den Trend, dass der Anleger, der die Kapitalanlagen zu einem privaten Zweck abschließt, vor einer Übervorteilung des Anbieters oder Vermittlers geschützt werden soll. So urteilten zuletzt die Gerichte zu fehlerhafter Beratung der Kreditinstitute im Falle des Verkaufs von Lehman Brothers-Zertifikaten.

Dem Anleger stehen bei einer Investition in der Regel zwei Personen gegenüber: der Kapitalnehmer sowie der Intermediär als Bindeglied. Der Anleger kann daher bei einer Pflichtverletzung seine Rechte gegen den Kapitalnehmer oder/und den Intermediär durchsetzten. Oft handelt es sich jedoch um Schäden in beträchtlicher Geldhöhe, die mit höherer Wahrscheinlichkeit eher vom Anbieter als vom oft vermögenslosen Intermediär, abgesehen von Kreditinstituten als Vermittler, ersetzt werden könnten.

Konkrete Rechte und Pflichten

Erleidet der Anleger einen Schaden in seiner Kapitalanlage, so ist die Pflichtverletzung des Anbieters oder des Intermediärs zu ermitteln. Als Anspruchsgrundlage kommt die Verletzung von Auskunfts- und Beratungspflichten entsprechender Verträge in Betracht. Diese Verträge werden grundsätzlich stillschweigend geschlossen. Ihre Rechtsnatur liegt im Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter. Der Anlageberater schuldet danach eine anlegergerechte und objektgerechte Beratung. Anlegergerecht ist die Beratung, wenn der Berater das Anlageziel des Kunden und sein einschlägiges Fachwissen abklärt, und objektgerecht, wenn über alle Umstände und Risiken, die für die Anlageentscheidung Bedeutung haben, richtig und vollständig informiert, aufgeklärt und nachgeforscht wurde. Hierzu zählt die Aufklärung über diverse Risiken: Kurs-, Zins- und Währungsrisiko, aber auch das Risiko des Totalverlustes oder Entwicklung des Marktes. Bei dem Anlagevermittler sind die Aufklärungspflichten abgemildert und beziehen sich insbesondere auf richtige und vollständige Information über die Anlage.

Speziell bei den Immobilieninvestitionen ist von Bedeutung, dass der beratende Verkäufer nicht nur über die Höhe der Erwerbskosten und die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten informieren muss, sondern er ist auch verpflichtet sonstige Tatsachenangaben zu der Immobilie wahrheitsgemäß zu machen, wenn diese für den Kaufentschluss von Bedeutung sind oder sein können. Dies gilt auch dann, wenn er zu einer Auskunft nicht verpflichtet ist. Im Fall von Wertpapieren trifft die Bank die Pflicht die empfohlene Wertpapiere zu überprüfen. So hat sie die Wirtschaftspresse sowie Rating-Agenturen zu verfolgen. Banken, Finanzdienstleister, Anlageberater und Vermittler, die den Vertrieb von Wertpapieren vornehmen, sind verpflichtet den Kunden unaufgefordert über Kosten und Nebenkosten, einschließlich aller damit verbundenen Gebühren, (Innen-)Provisionen, Entgelte und Auslagen aufzuklären. Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben ferner von den Kunden umfangreiche Informationen einzuholen, insbesondere über die finanziellen Verhältnisse, Anlageziele, Risikobereitschaft usw. Äußert sich der Kunde nicht dazu oder erhebt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese nicht, so darf eine Kapitalanlage nicht empfohlen werden. Bei Beteiligungen an Unternehmen ist der Berater verpflichtet, auch Informationen über das Unternehmen selbst offen zu legen, etwa bzgl. des Totalverlustrisikos der Anlage oder die Interessenkonflikte des Unternehmensmanagements.

Die Intermediäre sind in vielen Fällen als Erfüllungsgehilfen des Anbieters zu qualifizieren, sodass das Verschulden des Intermediärs dem eigentlichen Kapitalnehmer zugerechnet wird. Diesen treffen jedoch auch sämtliche Aufklärungspflichten bzgl. der Kapitalanlage. Ob diese ordnungsgemäß erfüllt werden, wird aufgrund des indirekten Auftritts gegenüber dem Anleger, in der Regel anhand des Emissionsprospektes geprüft.

Verletzt der Anbieter bzw. der Berater die Pflichten, so kommen neben der bereits dargestellten Haftung aus Vertrag eine Haftung aus dem Verschulden beim Vertragsschluss, bei arglistiger Täuschung eine Anfechtung sowie bei unerlaubter Handlung Ansprüche nach Deliktsrecht zur Anwendung bzw. in Betracht. Der Schadensersatz kann auf das negative Interesse oder beim Festhalten am Vertrag auf Erfüllung bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichtet sein. Zu beachten ist hier jedoch der Vorteilsausgleich: So werden bei Steuermodellen die durch die Anlage ersparten Steuern auf den Schaden angerechnet.

Der Anleger ist jedoch nicht nur Schutzobjekt im Kapitalanlagerecht, er trägt selbst - je nach Anlageform - Haftung und Risiken. In Wertpapiergeschäften trägt er das Kursrisiko. Wurde er über die Risiken der Kapitalanlage ordnungsgemäß durch den Intermediär als auch durch den Kapitalnehmer aufgeklärt, so hat er auch diese Risiken zu tragen. Dabei müssen immer die Erfahrungen und Kenntnisse des Anlegers über den Kapitalmarkt berücksichtigt werden. Die Kapitalanlage wird durch den Anleger häufig nach Rendite oder Sicherheit ausgesucht, beides auf gleichem Niveau zu vereinbaren, ist nicht möglich. Er darf nicht blind auf Anlagen vertrauen, die als extrem rentabel und dabei lückenlos sicher verkauft werden.

Fazit

Durch die Finanzkrise hat die Diskussion über Kapitalanlagen zugenommen, das war zumindest das Positive an ihr. Hoffentlich hat man daraus gelernt, dass die kapitalanlagerechtlichen Fragen nicht erst bei Schadensentstehung, sondern schon vorab, vor dem Abschluss der Anlage gestellt und gelöst werden müssen. Denn über Geld werden die Anleger wohl weiter verfügen, solange so viel darüber gesprochen wird. Das wiederum freut den auf Kapitalanlagerecht spezialisierten Rechtsanwalt.